"Ich habe in meinen Augen den schönsten Job der Welt", sagt Literaturagentin Christine Proske. Sie will Geschichten von starken Frauen bekannt machen. (Foto: Catherina Hess)
Warum sich internationale Filmfirmen für die Geschichten einer Münchner Literaturagentin interessieren.
Sehr wenige deutsche Bücher schaffen es, in Amerika verfilmt zu werden. Christine Proske ist das gelungen: Mit der Geschichte einer jungen Frau, die als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebte.
Interview von Gerhard Fischer
Christine Proske ist Literaturagentin. Sie hat Bücher mit Liselotte und Hans Jochen Vogel gemacht, mit Iris Berben und mit vielen starken Frauen. Und nun hat Proske, 55, einen Bestseller nach Hollywood verkauft: die Geschichte eines Mädchens, das einen Sturz aus etwa 3000 Metern überlebte.
SZ: Sie haben die Filmrechte des Buchs "Als ich vom Himmel fiel" nach Hollywood verkauft . . .
Christine Proske: . . . das ist ein schöner Erfolg, da es nur sehr wenige deutsche Bücher bisher geschafft haben, in Hollywood verfilmt zu werden.
"Als ich vom Himmel fiel" erzählt die Geschichte einer 17-jährigen Deutschen, die am 24. Dezember 1971 als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebte und nach elf Tagen im peruanischen Dschungel gerettet wurde.
Juliane Koepcke war damals mit ihrer Mutter auf dem Flug von Lima nach Pucallpa, das im Osten von Peru liegt. Ihre Eltern, die beide Biologen waren, hatten dort im Regenwald eine Forschungsstation. Das Flugzeug stürzte ab.
Warum?
Es gab ein schweres Gewitter, und das Flugzeug wurde von einem Blitz getroffen.
Juliane Koepcke stürzte aus 3000 Metern ab - und überlebte.
Sie wurde zusammen mit ihrem Sitz aus dem Flugzeug geschleudert, der Gurt hatte gehalten. Eine der Theorien zu ihrem Überleben ist, dass der Sitz wohl wie ein Propeller oder Fallschirm gewirkt hat und ebenso wie die Bäume des Dschungels den Absturz bremste.
Wie schwer war sie verletzt?
Als sie auf dem Boden aufwachte, lag sie unter ihrem Sitz. Sie hatte zwei Fleischwunden, ein gebrochenes Schlüsselbein, ihre Brille und einen Schuh verloren. Und dann ist sie losgewandert. Ihre Eltern hatten sie als Kind gelehrt, dass man im Dschungel nach Bächen oder Flüssen suchen und diesen folgen sollte. Das sei die sicherste Möglichkeit, irgendwann auf eine menschliche Siedlung zu stoßen.
Aber sie stieß erst mal auf Teile des Flugzeugs.
Ja, nach einigen Tagen fand Juliane Koepcke tatsächlich Wrackteile des abgestürzten Flugzeugs.
Hat sie auch Leichen gesehen? Ihre Mutter, die im Flugzeug neben ihr saß, hat den Absturz nicht überlebt.
Nein. Nur die Wrackteile. Sie ist dann weitergewandert, um einen Wasserlauf zu finden. Am Himmel hörte sie die Suchflugzeuge, die nach dem Absturz losgeschickt worden waren. Aber diese sahen natürlich einen einzigen kleinen Menschen im Urwald nicht.
Wovon hat sie sich in dieser Zeit ernährt?
Sie hat gar nichts gegessen. Ihre Eltern hatten ihr beigebracht, dass man im Dschungel nichts essen solle, weil man nie weiß, was giftig ist und was nicht. Juliane Koepcke hatte nur ein paar Bonbons dabei. Wasser hat sie aus dem Fluss getrunken. Sie ist insgesamt elf Tage ohne Nahrung gewandert oder hat sich im Fluss treiben lassen.
War das nicht sehr gefährlich?
Auch das hatten ihr die Eltern beigebracht: Die dortigen Kaimane greifen Menschen eigentlich nicht an, und wenn, dann nur, wenn man sich am Ufer befindet.
Wie wurde sie schließlich gefunden?
Nach elf Tagen fand sie einen Unterstand. Dort hat sie sich hineingelegt und wurde schließlich von drei Holzfällern entdeckt.
Wie sind Sie als Agentin auf die Geschichte aufmerksam geworden?
Juliane Diller, wie sie heute heißt, war 2009 bei Markus Lanz. Ich habe die Talkshow gesehen und dachte, diese Geschichte muss als Buch erzählt werden. Ich habe mich mit Frau Diller getroffen und bin sehr glücklich, dass ich sie überzeugen konnte, mit mir zu arbeiten.
Sie mussten sie erst überzeugen?
Ja. Frau Diller ist ein sehr bescheidener Mensch und wollte keinen Rummel um ihre Person. Als sie 1971 im Dschungel gefunden wurde, erlangte sie in Peru über Nacht sehr große Bekanntheit. Reporter haben sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Ihr Vater hat sie aufgrund des hohen Medieninteresses sogar nach Deutschland zurückgeschickt, um sie aus dem Fokus zu nehmen.
Das Buch erschien 2011 in Deutschland und landete gleich auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Es war mehrere Wochen auf Platz eins. Frau Diller hat es zusammen mit Beate Rygiert geschrieben, und es erschien in Deutschland und in neun weiteren Ländern, unter anderem wurde es in England und in den USA publiziert.
Wie kamen Sie zu den Kontakten nach Hollywood?
Mir war schon länger aufgefallen, dass man sich dort verstärkt den "True Stories", also wahren Geschichten zuwandte. Und gleichzeitig fordern die Schauspielerinnen mehr und stärkere weibliche Hauptrollen. Ich dachte, das kann ich liefern. Ich habe ein Treatment aus der englischen Ausgabe geschrieben und an 30 Produktionsfirmen in Hollywood, Großbritannien und Deutschland geschickt.
Wie war die Resonanz?
Das Echo war überwältigend. Jeder wollte es haben, und es haben sich auch noch weitere Produktionsfirmen gemeldet, die ich gar nicht angeschrieben hatte. Selbst heute meldet sich noch eine Firma pro Monat und fragt nach, ob die Rechte noch frei sind.
Den Zuschlag bekam dann die Produktionsfirma "Happily Ever After Films".
Stan Brooks von "Happily Ever After Films" ist seit langem auf "True Stories" spezialisiert und hat Frau Diller und mich überzeugt - ich hatte viele Produzenten bei mir in der Agentur zu Gast, habe nach diesen Gesprächen eine Vorauswahl getroffen und schließlich eine Auktion veranstaltet. "Happily Ever After Films" erwarb 2013 die Option auf Frau Koepckes Buch.
Diese gibt der Produktionsfirma das exklusive Recht, an der Realisierung des Filmprojekts zu arbeiten. Nun hieß es warten, denn nach Abschluss einer Option dauert es zwischen drei und sieben Jahren, bis mit der Verfilmung begonnen wird. Zunächst wird das Drehbuch geschrieben, dann die richtige Schauspielerin ausgewählt und die Finanzierung ist natürlich ein entscheidender Teil des Gesamtpakets.
Die Hauptrolle übernimmt die "Game of Thrones"-Darstellerin Sophie Turner.
Es ist eine grandiose Rolle für eine Schauspielerin, und Sophie Turner ist ein großer Gewinn für den Film, da sie nicht nur Juliane Koepcke spielen, sondern den Film auch als Produzentin betreuen wird.
Wie ist der Stand heute?
Im Moment werden die letzten Rollen besetzt und die Finanzierung wird finalisiert. Die Dreharbeiten sind für 2018 geplant. Wenn alles gut läuft, soll dieser Film zur Berlinale 2019 starten.
Christine Proske steht auf und kommt mit drei anderen Büchern an den Tisch zurück.
"Als ich vom Himmel fiel" ist nur eines von vier Büchern aus meiner Agentur, deren Filmrechte ich erfolgreich vermittelt habe. Diese drei hier sind ebenfalls optioniert: eines in Deutschland, eines in London und ein weiteres wieder in Hollywood. Und neben Kinofilmen arbeite ich gerade mit einigen internationalen Produktionsfirmen daran, Fernsehserien aus einigen Büchern meiner Agentur zu machen.
Welches der drei Bücher soll ebenfalls in Hollywood verfilmt werden?
"Das Mädchen, das den IS besiegte" von Farida Khalaf und Andrea C. Hoffmann. Farida ist eines der jesidischen Mädchen, deren Dorf vom IS ausgelöscht wurde. Die Männer wurden alle getötet, die Frauen und Mädchen als Sex-Sklavinnen verkauft. Farida ist eine unglaublich starke junge Frau, sie hat sich ihrem Schicksal nicht gebeugt, sondern aktiv die Flucht für sich und fünf weitere Mädchen organisiert. Als ich im Sommer 2014 vom Schicksal der Jesiden las, wusste ich sofort, dass ich ein Buch mit einer dieser jungen Frauen machen würde. Das Buch entstand noch in der Zeit, als Farida im Flüchtlingscamp in nordirakischen Dohuk war. Mittlerweile lebt sie in Deutschland.
Eine dramatische Geschichte.
Ebenso wie die meiner Autorin Neda Soltani, deren Buch "Mein gestohlenes Gesicht" von einer Londoner Produktionsfirma optioniert wurde; oder auch das Buch "Freiheit für Raif Badawi" von Ensaf Haidar, der Frau des Bloggers Raif Badawi, der in Saudi-Arabien ausgepeitscht wurde und noch immer im Gefängnis sitzt. Ohne das Engagement von Ensaf Haidar für ihren Mann würde hier bei uns niemand von Raif Badawi wissen.
Juliane Diller, Farida Khalaf, Neda Soltani, Ensaf Haidar sind Frauen.
Der Schwerpunkt meiner Arbeit besteht darin, die Geschichten von starken Frauen bekannt zu machen. Frauen, die durch besondere Umstände gezwungen wurden, über sich selbst hinaus zu wachsen. Sie sind uns allen echte Vorbilder und Inspiration. Dass ich mit meiner Agentur dazu beitragen kann, sie bekannt zu machen, empfinde ich als sehr sinnstiftend.
Das klingt gut.
(lacht) Ich habe in meinen Augen den schönsten Job der Welt. Außerdem muss man auch sagen, dass mein Engagement hier auf einen Trend trifft: Geschichten von Frauen, die Außergewöhnliches leisten, verkaufen sich momentan sehr gut - denken Sie an die Oscar-Nominierungen für den Film "Hidden Figures - Unbekannte Heldinnen", in dem drei schwarze Mathematikerinnen an einem Nasa-Programm mitarbeiten, aber erst mal gegen Rassismus und die Diskriminierung von Frauen generell kämpfen müssen.
Ihre Bücher haben alle auch eine deutliche politische Dimension.
Das Engagement für Frauen ist an sich schon politisch, und jedes der Schicksale hat eine politische Dimension. Juliane Koepckes Absturz führte dazu, dass die Vorgaben für Fluglinien in Peru strenger wurden, Ensaf Haidar kämpft für Meinungsfreiheit in Saudi-Arabien und für die Freilassung ihres Mannes, Neda Soltanis Geschichte zeigt die Situation der Menschen im Iran. Und wer "Das Mädchen, das den IS besiegt" gelesen hat, kann sich in Europa der Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten nicht mehr guten Gewissens verschließen.